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Grundlegende Veränderungen des Arbeitswerts und der Talentpyramide
Passen Sie Ihre Talentstrategie an Ihre Mitarbeitergruppen an
Mithilfe der in der O*NET-Datenbank definierten Arbeitsaufgaben und unserer Analyse der „Betroffenheitspunktzahlen“ für eine Reihe von Berufen haben wir die typische Belegschaft in vier große Gruppen eingeteilt, je nachdem, wie sich generative KI auf sie auswirken wird.
Bei jeder Gruppe verändert sich der Wert ihrer Arbeitsrolle mehr oder weniger stark. Da sich die Rollen und Arbeitswerte von Mitarbeitenden ändern, wirkt sich jede Gruppe unterschiedlich auf die Talentmodelle von Unternehmen aus und erfordert einen anderen Qualifizierungsansatz.
Es ist wichtig zu beachten, dass diese Kategorisierungen eine breitere makroökonomische Perspektive darstellen und die Realität differenzierter zu betrachten ist. Die im O*NET definierten Rollen und Aufgaben beispielsweise treffen möglicherweise nicht immer perfekt auf die eigenen Arbeitsrollen und Aufgaben eines Unternehmens zu. Außerdem treffen Geschäftsführende vielleicht je nach Unternehmenskultur und abhängig von ihrer Geschäftsstrategie komplett andere Entscheidungen über dieselbe Rolle.
Viele Unternehmen haben sich beispielsweise dagegen entschieden, bestimmte Kundendienstfunktionen vollständig zu automatisieren, obwohl dies seit einiger Zeit möglich ist. Also auch wenn Mitarbeitende im Kundendienst aufgrund unserer Analyse ihrer „Betroffenheitspunktzahl“ in die Kategorie „Vollständig automatisiert“ fallen können, würden viele Unternehmen sie in die Kategorie „Erweitert“ einteilen, sodass sie weiterhin mit einer Toolbox für generative KI arbeiten können und nicht ersetzt werden. Möglicherweise werden sie auch in die Kategorie „Verändert“ eingeordnet, wenn sich das Unternehmen für die Umschulung seiner Mitarbeitenden im Kundendienst entschieden hat, um diese in ganz neuen Rollen unterzubringen.
Dennoch bietet diese breite Perspektive ein Framework für Führungskräfte, um Arbeitsrollen in ihren Teams zu beurteilen und die geeigneten Maßnahmen für verschiedene Mitarbeitergruppen festzulegen.
Arbeitsplätze, die von KI grundsätzlich unberührt bleiben
Zusammenfassung
Diese Berufen erfordern meist körperliche Tätigkeiten. Dazu zählen einerseits hochspezialisierte Aufgaben, die eine mehrjährige Ausbildung und Schulung voraussetzen – wie chirurgische Eingriffe, Elektroinstallationen oder Sanitärarbeiten. Andererseits umfassen sie auch einfache, unspezifische Tätigkeiten, die nur wenig Erfahrung erfordern, beispielsweise Hausmeistertätigkeiten.
Zwar wird generative KI die zentralen – und hochwertigen – Aufgaben kaum verändern, doch sie wird sehr wahrscheinlich Auswirkungen auf untergeordnete Aufgaben haben und die Qualität dieser Arbeit und das Arbeitspensum verbessern.
Highlights
Automatisierung: Sehr minderwertige oder weniger wichtige Aufgaben
Arten von Mitarbeitenden: Fachleute, die körperliche oder hochspezialisierte Arbeiten ausführen – von Chirurg:innen und Anästhesist:innen bis hin zu Klempner:innen und Elektriker:innen.
Auswirkungen auf den Arbeitsplatz: Wenige bis gar keine
Talentstrategie: Weiterbildung zu Grundlagen der generativen KI
Generative KI wird wenige Auswirkungen auf manuelle Arbeiten haben, insbesondere wenn sie eine hohe Spezialisierung erfordern. Sie wirkt sich vor allem auf minderwertige und weniger wichtige Aufgaben aus, wie das Schreiben von Patientenanmerkungen bei Chirurg:innen, die durch generative KI unterstützt werden können.
Die Technologie wird jedoch die Arbeit um die Arbeitsrolle herum verändern. Bei Chirurg:innen könnten das medizinische Diagnosen oder eine persönlichere Patientenkommunikation und Nachsorge sein. Auch die Qualität der ausgeführten Arbeit würde besser werden, da die von den Chirurg:innen verwendeten Systeme sich weiterentwickeln und somit mehr Informationen zu den Patient:innen liefern, den besten Behandlungsansatz vorschlagen und die neuesten klinischen Forschungen und Verfahren anzeigen würden. Tatsächlich würden der höchste Wert und die relevantesten Erkenntnisse aus den riesigen verfügbaren Datenmengen geboten werden.
Eine spezialisierte Ausbildung in generativer KI ist für diese Gruppe nicht die oberste Priorität. Allerdings können ein Grundlagenverständnis für generative KI, ethische Betrachtungen und Überlegungen dazu, wie man mit KI-Tools zusammenarbeiten kann, diesen Fachleuten dabei helfen, Technologie in ihre Arbeitsabläufe zu integrieren, sodass die Effizienz gesteigert wird, ohne ihre zentralen Arbeitsfunktionen zu verändern.
Möglicherweise muss die Anzahl der benötigten Mitarbeitenden ein wenig verringert werden, da generative KI Aufgaben schneller abschließen kann. Insgesamt bleibt die traditionelle Talentpyramide jedoch erhalten, da die Mitarbeitenden in dieser Gruppe weiterhin im Laufe der Zeit praktische Erfahrungen und Wissen ansammeln müssen.
Arbeitsplätze, die durch KI erweitert werden
Zusammenfassung
Bei der Gruppe „Erweitert“ werden minderwertige Aufgaben in höherem Maße automatisiert, sodass erhebliche Veränderungen der Arbeitsweise auftreten. Zwar unterstützt KI bei einigen höherwertigen Aufgaben, doch die zentralen Aufgaben dieser Arbeitsrolle werden zum größten Teil weiterhin von Menschen ausgeführt.
Der Wert von Kompetenzen, die man braucht, um beispielsweise erste Entwürfe und Zusammenfassungen zu erstellen, wird sich verringern, während Entscheidungsfindung, Kommunikation, Zusammenarbeit und Problemlösung immer wichtiger werden.
Highlights
Automatisierung: Viele minderwertigere Aufgaben; einige höherwertige Aufgaben
Arten von Mitarbeitenden:
- Mitarbeitende im kreativen Bereich (von Grafikdesigner:innen bis hin zu Führungskräften in der Kreativabteilung)
- Lehrkräfte (von Lehrassistent:innen bis hin zu Schulleitenden)
- Anwält:innen (von Junior-Anwält:innen bis hin zu allgemeinen Beratenden)
- Senior-Geschäftsführende (stellvertretende Geschäftsleitung bis hin zu CEOs)
Auswirkungen auf den Arbeitsplatz: Mäßig
Talentstrategie: Weiterbildung zu Tools für generative KI mit an neue Arbeitsweisen, die diese Tools mit sich bringen, angepassten Schulungen
Als generative KI zum ersten Mal auf der Bildfläche erschien, setzte sie sich hauptsächlich durch ihre Fähigkeit ab, kreative Outputs wie Marketingtexte, Gedichte und visuelle Designs zu liefern. Die Folge war, dass Rollen wie Art Director, Führungskräfte in Kreativabteilungen, Texter:innen und Designer:innen davon bedroht schienen, vollständig automatisiert zu werden.
Inzwischen scheint diese Gefahr jedoch gebannt – und das nicht nur, weil bildgenerierende KI-Modelle oft immer noch Outputs liefern, die statt authentisch und natürlich skurril und unrealistisch sind, sondern auch, weil diese leistungsstarken Tools gar nichts produzieren können, solange ihnen niemand sagt, was überhaupt hergestellt werden soll. Die meisten Unternehmen haben festgestellt, dass diese Arbeit am besten von Personen auszuführen ist, die in der Lage sind, klare Anweisungen für hervorragende Designs zu geben – mit anderen Worten: Designer:innen oder Creative Directors.
Dasselbe gilt für andere Rollen, die von KI unterstützt werden. Im Schuldienst kann KI Aufgaben wie Unterrichtsvorbereitung und das Erarbeiten von Hausaufgaben beschleunigen. Im Justizwesen kann sie helfen, Präzedenzfälle zu analysieren, Schriftsätze vorzubereiten und Berufungen einzureichen. Geschäftsleute können sich unterdessen bei Aufgaben wie dem Vorbereiten und Genehmigen von Budgets und Berichten sowie dem Analysieren von Geschäftsabläufen auf generative KI stützen.
Während die erforderlichen Kompetenzen für automatisierbare Aufgaben zwar an Wert verlieren, nimmt der Wert von Fähigkeiten für nicht automatisierbare Aufgaben zu, da die Fachleute, von denen sie ausgeführt werden, zahlreiche Möglichkeiten haben, diese einzigartigen menschlichen Fähigkeiten zu verfeinern.
Lehrkräfte können mehr Zeit darauf verwenden, mit ihren Schüler:innen zu interagieren und die Lernerfahrungen persönlicher zu gestalten. Anwält:innen werden sich stärker auf die Präsentation von Fällen, die Verhandlung von Beilegungen und die Beratung von Klient:innen konzentrieren können – Aufgaben, die ohne komplexe soziale und Kompetenzen zur Problemlösung nicht auskommen. Geschäftsleute werden mehr auf Empathie und Entscheidungsfindung setzen können, um strategische Initiativen voranzubringen.
Tools für generative KI können sowohl die Produktivität als auch die Qualität der Arbeit dieser Fachleute erheblich verbessern. Das gilt vor allem für die unteren Ebenen der Talentpyramide, wo weniger erfahrene Mitarbeitende mit KI-Tools schneller höhere Kompetenzniveaus erreichen können, als wenn sie diese Fähigkeiten alleine entwickeln müssten.
Das dringendste Anliegen ist, Mitarbeitende mit den benötigten Tools und Schulungen zu versorgen, um zum Beispiel das Schreiben von Prompts zu erlernen. So kann mehr Nutzen aus einer bestehenden Reihe von Aufgaben gezogen werden.
Weil sich durch generative KI so viele minderwertige Aufgaben dieser Arbeitsrollen automatisieren lassen, könnte es weniger Bedarf an Mitarbeitenden geben, die Routineaufgaben ausführen. Wenn jedoch weniger erfahrene Mitarbeitende im Laufe der Zeit KI-Kompetenzen an ihrem Arbeitsplatz entwickeln – oder bereits mit diesen Kompetenzen zur Belegschaft stoßen – könnte das die Art der Arbeit auf den unteren Ebenen der Pyramide verändern, sodass sie nun eher in der Mitte der Pyramide angesiedelt ist.
Eine solche Dynamik kann auch den Bedarf an erfahreneren Fachleuten für komplexere Aufgaben erhöhen, die Urteilsvermögen, Überprüfungen oder Qualitätsbeurteilungen, Zusammenarbeit oder Strategien erfordern.
Arbeitsplätze, die von KI verändert werden
Zusammenfassung
Für diese Gruppe sind die Veränderungen deutlich weitreichender. Viele entweder hoch- oder geringwertige Aufgaben können durch generative KI automatisiert werden, wodurch den Arbeitnehmern nur noch eine Handvoll wichtiger Aufgaben bleibt—möglicherweise jedoch nicht genug, um eine Vollzeitstelle zu rechtfertigen.
Infolgedessen werden sich diese Arbeitsplätze vollständig weiterentwickeln. Sie könnten sich dabei neu ausrichten oder auch neu zusammensetzen, basierend auf den verbleibenden hochwertigen Aufgaben, die erledigt werden müssen – sowie auf neuen Aufgaben, die durch den Einsatz generativer KI notwendig werden – oder sie könnten sich zu hochspezialisierten Rollen entwickeln, die spezifische Fähigkeiten erfordern.
Highlights
Automatisierung: Sehr viele minder- und hochwertige Aufgaben
Arten von Mitarbeitenden:
- Programmierer:innen (von Junior-Entwickler:innen bis hin zu Führungskräften in der IT-Abteilung)
- Finanzanalyst:innen (von Junior-Analyst:innen bis hin zu Forschungsleitenden/Portfoliomanager:innen)
- Technische Redakteur:innen (von Dokumentationsfachleuten bis hin zur Technischen Leitung)
Auswirkungen auf den Arbeitsplatz: Erheblich
Talentstrategie: Umschulung, um in ganz neue Rollen und Stellen zu wechseln
Obwohl heute viele der zentralen Aufgaben dieser Arbeitsrollen von generativer KI übernommen werden können, werden die neuen Aufgaben von extrem hohem Wert sein, sofern die Mitarbeitenden dafür entsprechend umgeschult werden.
Es ist beispielsweise äußerst wahrscheinlich, dass viele der wichtigsten Aufgaben von Computerprogrammierer:innen künftig durch generative KI automatisiert werden, etwa das Schreiben von Code. Der Bedarf an analytischen Fähigkeiten und dem Verständnis für Systemdesign bleibt jedoch erhalten.
Die Rolle wird nicht verschwinden – sie verändert sich nur und wird sich zunehmend auf hochwertige menschliche Fähigkeiten, wie Kommunikation, Zusammenarbeit und Problemlösung konzentrieren. Zum Beispiel legen Computerprogrammierer:innen den Fokus immer mehr auf sich wiederholende, beschleunigte Programmierung. Sie setzen sich mit Geschäftsnutzer:innen zusammen, entwerfen spontan gemeinsam Lösungen und nehmen aufgrund von Echtzeitergebnissen Änderungen vor.
Sie schließen außerdem Lücken zwischen Entwickler-, Engineering- und Technik-Teams, um einen integrierteren und kohärenteren Entwicklungsprozess zu fördern.
Die Auswirkungen auf die Talentpyramide sind erheblich. Wenn zum Beispiel 80 % einer Arbeit automatisiert sind, benötigen Unternehmen vielleicht nicht mehr so viele Mitarbeitende. Gleichzeitig entstehen jedoch neue Arbeitsplätze, und diese befinden sich oft in der Mitte der Pyramide.
So könnten Unternehmen beispielsweise einen Pool an extrem spezialisierten Mitarbeitenden schaffen, die die 10 % bis 20 % der Aufgaben ausführen, die sich für verschiedene Arbeitsrollen nicht automatisieren ließen. Ein Beispiel ist eine neue Arbeitsrolle, die durch die Kombination der nicht automatisierbaren Aufgaben von Softwareentwickler:innen und Softwaretester:innen entsteht.
Andere Unternehmen entscheiden sich vielleicht für gänzlich neue Arbeitsrollen. Da Finanzanalyst:innen weniger Zeit mit hochgradig automatisierbaren Aufgaben wie der Datenanalyse und dem Zusammenstellen von Recherchenotizen verbringen, könnten sie sich beispielsweise mehr auf die Arbeit mit Investmentbanker:innen konzentrieren, um neue Kund:innen anzusprechen, und den Fokus auf die Präsentation von Berichten legen und als zentrale Informationsquelle für die Preisgestaltung von Vermögenswerten dienen. Sie könnten aber auch in neue Rollen wechseln und sich darin spezialisieren, anderen den Nutzen der Vermögenswerte und Produkte des Unternehmens näherzubringen.
Wieder andere Fälle erfordern eine hohe Spezialisierung bei hochwertigen Aufgaben oder Aufgaben, die durch die Nutzung von KI entstehen. Bedenken Sie, dass sich die Mitarbeitenden bei einer Automatisierung von 50 % ihrer Arbeit komplett auf die verbleibenden Aufgaben konzentrieren können, was wiederum die Produktivität steigert. Das kann folgendermaßen aussehen: Programmierer:innen nutzen KI-Toolsets, um eine bessere Software als je zuvor zu entwickeln, oder Finanzanalyst:innen übersetzen Informationen weitaus effizienter in Empfehlungen und erweitern dann ihren Verantwortungsbereich, um Vertriebs-Teams bei der Unterstützung von Kund:innen zu helfen, damit diese die Investitionsstrategien und Produktvorschläge besser verstehen.
Arbeitsplätze, die von KI vollständig automatisiert werden können
Zusammenfassung
Bei dieser Gruppe gibt es nur wenige Aufgaben, die spezielle Fähigkeiten oder Erfahrungen erfordern, was sie zu perfekten Kandidaten für die Automatisierung durch generative KI macht. Unternehmen könnten entweder beschließen, diese Arbeitsplätze wegfallen zu lassen und sie vollständig zu automatisieren, oder sie nehmen die hochwertigen Kompetenzen der Mitarbeitenden in diesen Arbeitsrollen unter die Lupe – etwa kritisches Denken, Problemlösung oder Entscheidungsfindung –, um ihnen zu helfen, die Arbeit auf eine neue Weise auszuführen oder in eine neue Rolle zu wechseln.
Highlights
Automatisierung: Praktisch alle Aufgaben werden automatisiert
Arten von Mitarbeitenden:
- Dateneingabekräfte (von einfachen Sachbearbeiter:innen für Dateneingabe bis zu Datenerfassungsspezialist:innen)
- Statistische Assistent:innen (von wissenschaftlichen Mitarbeitenden bis hin zu Statistiktechniker:innen)
- Sachbearbeiter:innen für Lohn- und Gehaltsabrechnung und Zeiterfassung
- Mitarbeitende im Kundendienst
Auswirkungen auf den Arbeitsplatz: Disruptiv
Talentstrategie: Umschulung für den Einsatz in einer neuen Rolle oder die Arbeitsrolle wegfallen lassen
Zu dieser Gruppe gehören traditionell viele Aufgaben, für die wenig Fachwissen erforderlich ist – vom Zusammenstellen von Berichten bis hin zur Bearbeitung von Gehaltsabrechnungen – und die sich mithilfe generativer KI schneller, effizienter und präziser erledigen lassen. Diese Arbeitsrollen könnten zwar vollständig durch generative KI automatisiert werden, doch das würde u. U. erhebliche Herausforderungen für den Erhalt der Talentpyramide mit sich bringen, da viele dieser Positionen traditionell die Talent-Pipeline gebildet haben, auf die Unternehmen für Positionen auf mittlerer und höherer Ebene angewiesen sind.
Außerdem werden die erforderlichen Kompetenzen für diese Rollen, wie kritisches Denken, Entscheidungsfindung und Problemlösung, immer von Wert sein. Personalabbau ist zwar eine Lösung, aber die Umschulung von Mitarbeitenden für höherwertige Rollen ist eine praktikable, oft vorzuziehende Alternative.
Ein gutes Beispiel sind Mitarbeitende im Kundendienst. Sie entwickeln im Laufe der Zeit ein fundiertes Wissen über die Systeme und Prozesse des Unternehmens sowie über die angebotenen Produkte und Dienstleistungen. Dieses Wissen ist beispielsweise extrem wertvoll für Business Analysts, Lösungsentwickler:innen oder Produktentwickler:innen.
Da generative KI ihre routinemäßigen Interaktionen automatisiert, könnten sich Servicemitarbeitende auf die komplexeren Aspekte der Problemlösung ihrer Arbeit konzentrieren, was ihnen letztendlich hilft, ihre Aufgaben auf neue Art und Weise auszuführen oder effizienter in eine neue Rolle zu wechseln.
Ein Beispiel für den Wechsel von Kundendienstmitarbeitenden in neue Rollen ist IKEA. Das Unternehmen hat seit 2021 8.500 Call-Center-Mitarbeitende zu Beratenden für Innenarchitektur umgeschult. Bisher gibt es bei dem Unternehmen keine Pläne, Personal abzubauen, auch wenn sein Chatbot in den letzten zwei Jahren 47 % der an die Call Center weitergeleiteten Kundenanrufe übernommen hat.
Geschäftsführende müssen eine klare Strategie entwickeln: Werden die Fachleute in hochgradig automatisierbaren Arbeitsrollen auf andere Geschäftsbereiche aufgeteilt oder werden sie einfach entlassen? Unterschiedliche Unternehmensstrategien erfordern unterschiedliche Antworten. Realität ist jedoch, dass sich Unternehmen auf eine Welt vorbereiten müssen, in der große Teile ihrer Belegschaft weiterhin wertvoll bleiben – nur auf andere Art und Weise als momentan.
Ein Playbook für das Talent-Management
1. Erhalten Sie den Zustand Ihrer Talentpyramide
Unerfahrene Mitarbeitende auf Einstiegsebene, die für Aufgaben mit geringer Qualifizierung verantwortlich sind, bilden das Fundament des aktuellen Kompetenzökosystems. Diese Einstiegsaufgaben sind jedoch inzwischen perfekte Kandidaten für die Automatisierung durch generative KI.
Ohne die stetige Weiterentwicklung der Mitarbeitenden, d. h., ohne dass sie im Laufe der Zeit mehr Fähigkeiten erwerben und in höhere Positionen aufsteigen, könnte das gesamte Talent-Framework auseinanderfallen. Mit weniger niedrigqualifizierten Tätigkeiten an der Basis der Pyramide müssten Unternehmen verstärkt in ihre Berufseinsteiger:innen investieren. Diese benötigten eine intensivere Einarbeitung und mehr Zeit, bis sie wirklich produktiv arbeiten könnten.
Falls sich diese Lücke bei Einstiegspositionen dramatisch vergrößert, könnte staatliches Eingreifen durch Ausbildungsprogramme oder andere Fördermaßnahmen notwendig werden. Die Umsetzung solcher Maßnahmen erfordert jedoch Zeit.
Bei langsamerem Fortschritt könnten Marktmechanismen das Ungleichgewicht allmählich ausgleichen, indem erfahrene Fachkräfte so teuer werden, dass Unternehmen wieder verstärkt in die Ausbildung neuer Mitarbeiter:innen investieren.
Auf eines dieser Szenarien zu warten ist jedoch strategisch unklug. Vielmehr müssen Unternehmen kurz- und langfristig in nachhaltige Talentmodelle investieren – und zwar intensiver als bisher. Statt vollständiger Automatisierung sollten sie Berufseinsteiger:innen ausgewählte einfachere Aufgaben übertragen, während diese Erfahrung sammeln. Gleichzeitig sind umfassende Schulungsprogramme nötig, damit der Übergang zu anspruchsvolleren, weniger automatisierbaren Tätigkeiten schneller gelingt. Hierfür müssen die Mitarbeitenden entscheidende menschliche Kompetenzen wie Urteilsvermögen und Kommunikationsfähigkeit entwickeln.
2. Fördern Sie weiterhin menschliche Erfahrungen und Expertise
In vielen unserer analysierten Fälle zeichnet sich ab, dass erfahrene Fachkräfte künftig seltener anspruchsvolle Aufgaben selbst übernehmen. Stattdessen werden sie zu Aufsehern der generativen KI, die deren Ergebnisse prüfen und validieren. Dies birgt jedoch langfristig eine wesentliche Herausforderung: den Verlust wichtiger Kompetenzen, die zwar automatisierbar sind, aber dennoch erheblichen Mehrwert schaffen.
Designer:innen wissen, ob ein Design gut ist, weil sie Erfahrung auf ihrem Gebiet haben. Genauso wissen Programmierer:innen, wie ein schlecht programmierter Code aussieht, weil sie jahrelange Erfahrung haben. Entfallen die Möglichkeiten, praktische Erfahrungen zu sammeln und durch selbsttätige Arbeit differenziertes Wissen zu erlangen, gefährdet dies die Tiefe und das Ausmaß des Fachwissens im Unternehmen. Diese Erosion von Fähigkeiten kann zu einer Belegschaft führen, die weniger innovativ und problemlösungsfähig wird, da sie zunehmend auf KI-Tools angewiesen ist.
Die Abhängigkeit von KI könnte für Unternehmen außerdem schwer rückgängig zu machen sein. Sollten KI-Systeme versagen oder suboptimale Ergebnisse liefern, würde der Mangel an erfahrenen Fachkräften, die diese Probleme beheben können, ein erhebliches Risiko darstellen.
Unternehmen müssen ein Gleichgewicht zwischen dem Einsatz von KI zur Effizienzsteigerung und dem Erhalt wichtiger menschlicher Fähigkeiten erreichen, indem sie sicherstellen, dass ihre Mitarbeitenden wertvolles Fachwissen entwickeln und bewahren. Dies könnte bedeuten, Gelegenheiten für praktische Aufgaben zu schaffen, kontinuierliche Weiterbildungsprogramme anzubieten und eine Kultur zu fördern, in der sowohl menschliche als auch KI-Beiträge wertgeschätzt werden.
3. Bereiten Sie sich auf Veränderungen in der Führungsetage vor
In unserem Bericht haben wir uns vor allem auf Mitarbeitende der mittleren und unteren Hierarchieebenen befasst, da diese stärker von generativer KI betroffen sind. Allerdings bleibt auch die Führungsebene nicht von den Auswirkungen verschont.
Zwar sind Spitzenpositionen wie CEO aufgrund ihrer Verantwortung und Entscheidungsbefugnisse weitgehend vor Automatisierung geschützt, doch es ist zu erwarten, dass der verstärkte Einsatz von KI in bestimmten Führungsaufgaben die für diese Positionen erforderlichen Kompetenzen und Erfahrungen grundlegend verändern wird.
KI-Systeme können riesige Datenmengen verarbeiten, Trends erkennen und strategische Entscheidungen mit beispielloser Geschwindigkeit und Genauigkeit vorschlagen und menschliche Kompetenzen dadurch möglicherweise übertreffen. Aus diesem Grund verlieren traditionelle Fähigkeiten und Erfahrungen, die mit der Entscheidungsfindung auf Führungsebene verbunden sind, möglichweise an Bedeutung. Das Ergebnis wären kleinere Führungsteams, da sich Unternehmen bei ihren strategischen Entscheidungen stärker auf KI verlassen statt auf eine große Führungsriege.
Einige Visionäre – darunter auch Sam Altman, der CEO von OpenAI – prognostizieren gar, dass selbst milliardenschwere Unternehmen künftig mit nur einem/einer Mitarbeitenden, einem/einer CEO, auskommen werden, während alle anderen Geschäftsfunktionen von KI übernommen werden. An diesem Extrembeispiel zeigt sich allerdings, wie die Nachfolgeplanung zum Problem werden kann: Was geschieht mit dem Unternehmen, wenn sein:e einzige:r Mitarbeiter:in krank wird oder anderweitig ausfällt?
Schrumpfende Führungsetagen sind zwar ein weniger dramatisch, sorgen aber für ähnliche Herausforderungen. Unternehmen sind auf einen vielseitigen Pool an Führungskräften angewiesen, die nach Bedarf dynamisch Fähigkeiten und Erfahrungen in verschiedene Geschäftsbereiche einbringen können. Auch wenn die Vorstellung von automatisierten Führungskräften weit hergeholt erscheinen mag, könnte der zunehmende Einsatz automatisierter Systeme zur Entscheidungsfindung dazu führen, dass Nachwuchsführungskräfte weniger in diesen Prozess eingebunden werden, was wiederum den Zustrom erfahrener Führungskräfte verringern würde. Führungskräfte aus der mittleren Ebene sollten daher weiterhin mit einbezogen werden, um sicherzustellen, dass sie auf ihre Erfahrung zurückgreifen können, wenn sie eines Tages auf oberster Ebene gebraucht werden.
4. Experimentieren Sie mit KI für greifbare und nicht greifbare Ergebnisse
Um eine Kultur zu fördern, in der sich Innovationen entwickeln können, sollten Unternehmen allen Mitarbeitenden die Chance bieten, ohne den Druck für sofortige Ergebnisse mit generativer KI zu experimentieren.
Dazu könnten sie einen Raum schaffen, in dem jede:r die Gelegenheit hat, in entspannter Umgebung KI-Tools zu erkunden, Ideen auszuprobieren und praktische Fähigkeiten zu entwickeln. Zwar bringen solche Investitionen nicht umgehend einen ROI, doch sie ermöglichen Mitarbeitenden auf diese Weise zu lernen.
Die Einführung einer „Fail-Fast“-Mentalität erfordert einen Wandel in der Führungsperspektive – dabei muss langfristiges Wachstum über kurzfristige Profitabilität gestellt werden. Wenn Unternehmen eine Umgebung schaffen, in der das Ausprobieren gefördert wird, erhalten sie eine anpassungsfähigere Belegschaft, die besser auf künftige Herausforderungen vorbereitet ist.
Die Form der Belegschaft von morgen
Verbessert, erweitert, verändert, vollständig automatisiert. Diese vier Stellenkategorien gibt es in jedem Unternehmen.
Noch nie waren die Entscheidungen zum Talent-Management jedoch derart wichtig, um die verschiedenen Gruppen auf die Arbeit mit generativer KI vorzubereiten. Denn sie betreffen nicht nur die Personen in den Rollen selbst, sondern haben auch enorme Konsequenzen für die Talentmodelle des Unternehmens – und für die Form seiner Belegschaft in der nahen und fernen Zukunft.
Wie alle Innovationen schafft generative KI einen Mehrwert, nimmt aber auch etwas weg. Wenn Unternehmen durch den Einsatz von generativer KI die Veränderungen von Arbeitsplätzen, Aufgaben und Kompetenzen sorgfältig beurteilen, können sie eine Strategie entwickeln, mit der sich der mögliche Mehrwert und die Vorteile von generativer KI nutzen lassen.
Ollie O'Donoghue
Senior Director, Cognizant Research
Ollie O'Donoghue leitet Cognizant Research und verfügt über mehr als ein Jahrzehnt Erfahrung als Branchenanalyst und Berater. Sein Hauptaugenmerk liegt auf dem Verständnis der Auswirkungen neuer wirtschaftlicher und technologischer Trends auf Unternehmen und Branchen.
Im Laufe seiner Karriere hat Ollie Entscheidungsträger:innen auf Führungsebene beraten und ihnen dabei geholfen, die besten Wege für Initiativen zur digitalen Transformation, sich verändernde wirtschaftliche Rahmenbedingungen und neue Geschäftsmodelle zu finden. Zudem hat er dazu beigetragen, die Marketingbotschaften zu verfeinern und Markteinführungsstrategien für große IT-Dienstleistungs- und Softwareunternehmen zu entwickeln.